Klimawandel-Apokalypse
Klimawandel-Apokalypse
Eigentlich sollt es jetzt regnen,
doch das will es einfach nicht.
Der April ist gar so trocken,
und die trock’ne Erde spricht:
So was gabs in manchen Jahren,
also heuer wiedermal,
dass der Boden hat erfahren,
Frühlingsbotensprießensqual.
Ja, sie möchten gerne leuchten,
all die Blümlein farbenfroh.
Anstatt weichem Boden, feuchten,
gibts nur dürres Laub und Stroh.
„Klimawandel“ nennt man zornig
solch Gebaren unsrer Zeit.
Doch das Klima tänzelt ständig
auf der Erde weit und breit.
Zu viel Sonne — zu viel Regen,
alles ärgert, selbst viel Schnee.
Und wenn es zu heftig wütet,
tut es uns besonders weh.
Unsre Alten kannten alles:
Hochflut, Dürre, Hunger, Leid,
und sie sagten sich geduldig:
Gott gestaltet unsre Zeit.
Solchermaßen dachten alle,
beteten um Besserung,
und im allerschlimmsten Falle
half ein Jeder – Alt und Jung,
Menschen, die zusammenrücken,
Dürreleid und Wassersnot
zu bestehen, überbrücken,
wenn’s gebricht an Hilf und Brot.
Hilfe war einst höchstes Gut,
oft das einz’ge Überleben.
Dem wird man den Lorbeer geben
der es auch noch heute tut.
✮ ✮ ✮
Klimawandel gab es immer,
gab es schon zu allen Zeiten,
um vom Eis bis zu den Tropen
Abwechslung uns zu bereiten.
Die Idee, sie sei’n verzwercht,
unsre wetterwilden Jahre,
sieht den Strolch schon eingepfercht,
der die Ursach brächt’ — die wahre.
Doch es lässt sich schwerlich finden,
was die Klimalaunen lenkt.
Klimawechsel zu ergründen,
macht den Klügsten hirnverrenkt.
Klimakund’ge warten lange,
dass es endlich wärmer wird,
warten spannend voller Bange,
ob das Klima denn sich irrt.
In den letzten Warmzeit-Phasen
war es wärmer stets als heut.
Mittelmeerisch warmes Klima,
das im Urlaub uns erfreut,
war das mind’ste, was man findet
in der Flora warmer Zeit,
und hat gut daraus begründet
warme Jahre um uns breit.
Dieses Klima war zugegen
in den Interglazialzeiten.
Ist jetzt eines auf den Wegen,
sich mal wieder auszubreiten?
Noch hat den Zenit es
dieser Wärme nicht erklommen,
vielleicht fehlt auch nicht mehr Vieles,
bald am Gipfel anzukommen.
So lasst uns nicht weiter wundern,
wenn es langsam wärmer wird,
die „Gemäßigt Klimazone“
sich zum Mittelmeer verirrt.
Ach, du guter Klimawandel,
bist Millionen Jahre alt,
tänzelst froh durch Land und Zeiten,
nimmst und bringst mal Eis, mal Wald.
Und dem Menschen bleibt nur eines:
Er hält wendig sich bereit,
vielfachkundig und gescheit,
klug auf das zu reagieren,
was du wieder ausgeheckt
und für alles wohlgerüstet,
was die Zukunft noch versteckt.
Uns muss allen klar sein:
Sehr bequem ist solches nicht.
Doch der Mensch hat gute Gene
und im Hirn das helle Licht,
sich für Unwetter zu rüsten,
Unbill jeder Klima-Art,
im Gebirge, an den Küsten.
Trifft es wo besonders hart,
kann ein Hilfsfond Nöte schlichten.
Eine Truppe einzurichten,
die allzeiten hilfsbereit,
wenn es lichterloh wo brennte,
wäre allerhöchste Zeit,
besser auch als kriegsbereit
einem möglich Feind begegnen,
den es aus dem Himmel regnen
irgendwo auf Erden könnte.
Ob der Mensch auch seinen Anteil
an dem Wärmequäntchen hat,
tobt in heft’gen Diskussionen,
reichlich füllend Buch und Blatt.
Doch es fehlt noch der Beweis,
wie hoch dieser Anteil wäre.
Drum sei taktvoll man und leis.
Jede Anschuld ging ins Leere.
Trotzdem stünde es uns an,
Treibhausgase zu vermeiden.
Müll und Raubbau ohne Plan
bringen Mensch und Erde Leiden.
Apokalypse ist griechisch und bedeutet Enthüllung, Klarstellung und Aufklärung, eben das, was die Luther-Übersetzung Offenbarung nennt. Die biblische Apokalypse wurde von einem kleinasiatischen Schreiber namens Johannes verfasst, und wurde in den Bibelkanon aufgenommen. Sie ist aber eher eine Zukunftsvision, eine Zukunftsspekulation als eine Klarlegung. Diese Vision des Johannes enthält neben Zuversichtsvoraussagen auch zahlreiche schreckliche Höllen-Szenarien. Mit eben diesen letzteren hat die christliche Nachwelt das Wort Apokalypse leider zu einem Inbegriff von Horror-Szenarien verwandelt (Bild). Das ursprünglich neutrale Wort hat also eine deutlich negative Bedeutungsänderung erfahren, unter der „Apokalypse” heute verstanden wird.
Ich wandte in den obigen Versen „Klimawandel-Apokalypse“ deren Bedeutung im ursprünglichen Sinne an, bin mir dabei aber wohl bewusst, dass unsere moderne Gesellschaft auch Klimawandel bereits mit Horrorszenarien verknüpft. Das Wort Klimawandel erlebte also dasselbe Missgeschick wie das Wort Apokalypse. Unsere Gesellschaft wurde in den letzten zwanzig Jahren von einer Klimawandel-Angst erfasst. Ausgelöst wurde sie letztlich von den „apokalyptischen” Presseberichten, die ja häufig mit maßlosen Übertreibungen Geld zu verdienen versuchen. Dabei wird das Wort Klimawandel derart missverstanden und missbraucht, dass es von einem jahrmillionenalten normalen Vorgang auf der Erde allerjüngst zu einem Negativwort geworden ist, das als Unglück und Unheil der Zukunft empfunden wird.
Sollte sich herausstellen, dass Wetterextreme unserer letzten Jahre sich einnisten, so begegnen sie uns nicht neu, sondern wieder einmal, wie sie es früher so oft gab. Sie erinnern uns, dass wir lange wetterruhige Zeiten hinter uns haben. Solche ruhige Zeiten stellen aber nicht die Wetternorm dar. Die derzeitige Erwärmung ist ein Klimawandel von unbekannter Dauer. Solche gab es schon früher ohne anthropogene Kohlendioxid-Erhöhung. Ob und welchen Anteil der Mensch an der jetzigen Erwärmung hat, ist kritisch zu prüfen. Klar ist, dass das Klima unseres Landes über längere Zeiträume zwischen erheblich vergrößerten Gletschern und mediterran-subtropischem Klima schwankte.
Aus: W. Schirmer 2021: Lyrion - Gedichte.