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Schnack mit Gaius Plinius

Bild: Plinius übergibt seinem Kaiser seine Naturalis historia. Biblioteca Medicea Laurenziana. de.wikipedia.org.

 Thema: Denn nur das Wachen ist Leben“ Naturalis historia, 1. Buch: 25.

Meine Meinung dazu. Ich las im März 2020 in meiner Auszeit auf La Palma in Plinius dem Älteren (77 n. Chr.): Naturalis historia, von Wittstein 1881 übersetzt. Darin fand ich, dass er ein Schreibleben liebte, ja fast panisch; dass er beim Essen, beim Gehen und beim Feldzug diktierte oder schrieb. Er vermerkt auch (an den Kaiser Titus Verspasianus gerichtet): „Ich bin ja Mensch, mit Geschäften überhäuft, arbeite an dem Werke [Naturalis historia] nur in meinen Nebenstunden, d.h. des Nachts, um der Meinung nicht Raum zu geben, als habe ich von den für Dich bestimmten Stunden etwas entzogen. Die Tageszeit widme ich Dir, ich schlafe nach Maassgabe meiner Gesundheit, bin soger mit dieser einzigen Belohnung zufrieden, weil ich (wie M. Varro sagt) im Dienste der Musen so viele Stunden mehr lebe. Denn nur das Wachen ist Leben.“

Das alles rührte mich an, da ich ja auch sehr gerne schreibe, in verschiedener Richtung, wissenschaftlich und belletristisch. Aber ich
spüre bei mir klare Grenzen: Mein Nervensystem via Magen, Schwindel und Schlaf leidet und bittet um Mäßigung, je älter ich werde, desto mehr. Aber auch meine Lebenslust für andere Dinge konkurriert mit dem Forschen und Schreiben mit reichlich Zeitbedarf: Musik, Dichtung, Zeichnen und Hingabe zu Menschen.

Dass Plinius denkt, Leben fände nur im Wachzustand statt, kann ich nicht nachvollziehen. Er hat doch sicher, wie alle Menschen, erlebt, dass man nach dem Schlaf viel besser denkt, entscheidet, plant als am Abend vorher im Müdzustand — und hat dazu erlebt, dass uns in den allerfrühen Morgenstunden unser Gehirn Dinge verrät, die wir lange suchten, die uns neue Sicht der Probleme gibt, ja Lösungen für sie findet. Das heißt doch: unser Gehirn hat im Schlaf für uns gearbeitet, hatte Zeit, alles Aufgenommene zu sortieren und uns Lösungen vorzuschlagen. Es hat also gelebt, und zwar besser als zu unserer abendlichen Müdzeit.

 

Wie kann Gaius denken,
Wachzeit nur sei Leben,
Schlafzeit jedoch nicht?

Kennt er nicht das Beben,
wenn die Nacht einbricht,
Müdigkeit uns hindert,
Leben fast erstarrt,

in der Suche nach Ideen
weglos still verharrt,
um dann endlich nachzugeben,
tiefer Schlafsehnsucht zu leben?

Kennt er das Erwachen nicht
in der Frühe erstem Licht,
voller Pläne, hell Ideen,
die jetzt greifbar vor uns stehn?

Was unlösbar abends war,
rauscht als Bach jetzt hell und klar,
und man fragt im Wachbesinnen:

Welch Gedanken, die da rinnen,
dürfen heut zuerst beginnen?

Auch erscheint es wie ein Wunder:
Was ich sucht im Kunterbunter
des verlornen Geistesguts,

fällt als Glücksstern mir herunter.

So seh ich voll frohen Muts:
All das ist der Morgenzauber
nach der Hirnarbeit der Nacht,
den der Schlaf im Bettchen sauber
morgens mir hat dargebracht.

Sicher war im römisch Land
manchem dieser Spruch bekannt,
der uns lehrt die uralt Kunde:
Morgenstund hat Gold im Munde.

04.03.2020

 

Nun habe ich am 23.05.2020 ein Interview mit Frau Eleonore Gabler (95 Jahre alt), Schloss Günzach, gehört, in dem sie erzählt, dass sie nur vier Stunden Schlaf braucht und darauf ergänzt: „Sie leben länger, wenn Sie so wenig Schlaf brauchen“. Sie meint natürlich, das Leben wird durch die vermehrte Wachzeit verlängert. Sie sagt ja nicht, dass sie nur im Wachzustand leben würde, wie es Plinius betont. Offenbar gibt es aber glückliche Menschen, die mit so wenig Schlaf auskommen. Kurzschläfer werden diese Menschen genannt, die angeblich mit 4-6 Stunden Schlaf auskommen. Man schätzt die Zahl der Kurzschläfer auf 1% der Menschen. Effektiv wird dieser Kurzschlaf natürlich erst, wenn die vermehrte Wachzeit dann wirklich intensiv genutzt wird. So beteuerte es auch Eleonore Gabler. Auch von Napoleon wird gesagt, dass er mit vier Stunden Schlaf ausgekommen sei. Man würde normalerweise denken, Kurzschlaf rächt sich im Leben. Aber, wie Frau Gabler beweist, ist das nicht so, oder muss es nicht so sein. An Gaius Plinius kann man nicht prüfen, ob er auch als möglicher Kurzschläfer lange gelebt hätte, da er mit 54 oder 55 Jahren (79 n. Chr.) beim Vesuvausbruch ums Leben kam. Die Übergabe seiner Naturalis historia an den Kaiser (Bild oben) war offenbar kurz vor seinem Tod. Denn Titus wurde ab 24.06.79 Kaiser und der Ausbruch geschah bald darauf, am 24. August oder im Oktober 79 n. Chr.